19. Oktober 2014

Eigenwillige Sitten

Obwohl schon seit zwei Jahren regelmäßiger Gast in Weimar, bin ich letzten Sonntag das erste Mal in den Genuss von Weimars größtem Volksfest, DEM Ergeignis des Jahres gekommen. Und wider Erwarten hatte es weder mit Goethe noch mit Schiller zu tun, noch mit irgendeinem der anderen Themen, die in meiner niederrheinischen Heimat zum Anlass genommen werden, alljährlich der Musik, der Völlerei und dem Alkohol zu fröhnen (Schützen, Karneval, Kirmes, Samstage...).

Der Grund für einen immensen Besucherzustrom, für vielzählige Bandauftritte und allgemeine Ausgelassenheit: eine kleine Knolle, genannt Allium cepa oder im Volksmund auch: die Zwiebel.


Einmal im Jahr ist also in Weimar Zwiebelmarkt und der wird gefeiert, als gäb's kein morgen. Das leicht nostalgisch angehauchte Fest hält die Zwiebel in jeder Form und jedem Verwendungszweck parat: Als dekoratives Element, als Spielfiguren, kulinarisch als Zwiebelkuchen, Zwiebelsuppe und in jeder anderen erdenklichen Form, zu der man die Knolle verarbeiten kann. An den drei Tagen des Zwiebelmarktes stellen die Weimarer alles mögliche mit der kleinen Knolle an, und auch vieles, was man vielleicht besser nicht tun sollte. 

Sogar eine Zwiebelkönigin gibt es (by the way: wie die wohl ausgewählt wird? Gibt's da ein Wett-schnibbeln, und wer als letztes weint, gewinnt? Oder muss man in eine rohe Zwiebel beißen, ohne sich zu übergeben? Muss man vielleicht irgendwelche visuellen Ähnlichkeiten mit einer Zwiebel aufweisen? oder den schicksten Zwiebellook kreieren? Oder gibt es vielleicht eine finstere Zwiebel-Lobby, die es zu bestechen gilt? Fragen über Fragen....). Dazu gibt es noch alles, was in irgendeiner Weise mit der Zwiebel in Verbindung gebracht werden kann: Schneidebrettchen, Spreewald-Gurken oder Knoblauchzehen, die Liste geht ins Unendliche.

Der Weimarer Zwiebelmarkt, der gar nicht mal so klein und provinziell ist, wie er klingt, sondern sich über die gesamte Stadt erstreckt und (anscheinend) Menschen aus aller Herren Länder anzulocken....naja, oder Umland, sagen wir aus aller Herren Um-Länder, lohnt sich auf alle Fälle für einen Besuch, immer am zweiten Wochenende im Oktober - und sei es allein, um das Rätsel zu ergründen, warum es ausgerechnet die Zwiebel ist, die die Thüringer hier so über alle Maßen zu faszinieren scheint....

4 Kommentare:

  1. Hallo Valerie,
    ich lese gerne bei dir über das Studentenleben in Berlin... das ist meine Heimatstadt und jetzt studiere ich in Weimar.
    Ich hab erst gelacht als es hieß "Bist du wahnsinng, da ist doch Zwiebelmarkt, geh nicht vor die Tür!", hab mir das ganze einmal angeguckt, Zwiebelkuchen gegessen, den Kopf über Zwiebelkitsch geschüttelt und mich von einer Zwiebelbäuerin darüber aufklären lassen, dass es keine getrockneten Zwiebeln gibt.
    ...und werde die Innenstadt in den nächsten Jahren zu den verdächtigen Zeiten meiden.
    Witzig, bei dir davon zu lesen.
    Über die Zwiebelköniginnenauswahl haben wir hier auch schon gemunkelt...
    Gruß, die M.

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  2. Von Berlin nach Weimar ist sicherlich eine ganz schöne Umstellung. Aber irgendwie sind solche verqueren Festlichkeiten doch auch charmant. Das hat so etwas von Stars-Hollow-Flair, oder? ;)

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  3. Ja, man sieht sich in Weimar tatsächlich nicht nur zweimal im Leben, sondern zweimal am Tag... ;-)

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