Ruhig ist es hier geworden - Statt auf meinem Blog habe ich die letzten Monate an etwas anderem geschrieben: an meiner Masterarbeit. Doch pünktlich zu den ersten sonnigen Tagen habe ich diesen so unüberwindbar scheinenden Batzen Arbeit hinter mich gebracht und kann nun endlich bald abgeben. (Mein Weg zur Uni, in der Tasche drei gebundene Ausgaben dieses ähm.... brillianten Stück Textes, stelle ich mir im Übrigen in etwa so vor: klick. Wenn ich dann vor unserer brummeligen Prüfungsbeamtin stehe und ihr mit feierlicher Miene meine Masterarbeit überreiche, werde ich im entscheidenden Moment beginnen lautstark folgenden Disney-Song zu trällern: klick. Ich seh schon - das wird toll.)
Was meine Nerven in den letzten Monaten oft davon abgehalten hat, fröhlich tanzend zur Tür hinaus zu spazieren, waren gute Freunde, M. und die Möglichkeit über einer Zeichnung, einer Bastelei oder anderen kreativen Werken mal komplett abzuschalten und von Wörtern, Filmszenen und Kopfzerbrechen auf handfeste Materialien wie Farbe, Kleber, Graphit oder Pappe umzusteigen. Seit neuestem habe ich die Palette der diversen künstlerischen Spielarten um eine neue Kategorie erweitert: das Stempeln.
Darauf gekommen bin ich durch die wahnsinnig talentierte schwedische Künstlerin Viktoria Aström (klick), die neben ihrer illustratorischen Tätigkeit wunderschöne Drucke basierend auf selbstgemachten Stempeln herstellt. Ich - natürlich sofort angefixt- bin also flugs losgezogen, habe mir für ein kleines Vermögen die notwendigen Utensilien besorgt und bin dem Schnitzen, Drucken, Stempeln seitdem komplett verfallen. Es macht einfach un-fass-bar Spaß! Die Gestaltungs- und Anwendungsmöglichkeiten sind schier unendlich, dazu kombiniert das selbstgemachte Stempeln drei sehr unterschiedliche Formen kreativen Arbeitens: Zeichnen, Schnitzen und Drucken. Nicht zuletzt ist es außerdem wunderbar, einmal angefertigte Zeichnungen und die daraus hergestellten Stempel immer wieder zum Einsatz kommen zu lassen. Der Nachteil an den Karten, Auftragsarbeiten und Geburtstagsgeschenken, die ich sonst so produziere, ist nun einmal, dass man sie nie wieder sieht, wenn sie einmal ihre Empfänger erreicht haben.
Ich lade euch also ein, mir freudig in die Abhängigkeit zu folgen. Denn jetzt kommt eine kleine Anleitung, wie ihr euer freies, selbstbestimmtes Leben aufgeben und dafür an meinem neu entdeckten Stempel-Glück teilhaben könnt. Lasst uns also fröhlich suchtend das Studium, die Arbeit oder die Familie an den Nagel hängen und ausgelassen schnitzen, drucken und alles bestempeln, was da geht, steht und lebt!
Und das braucht ihr dazu:
Die nötigen Materialien bekommt ihr online oder in gut sortierten Bastelgeschäften. Wenn ihr in Berlin wohnt, kann ich euch Modulor oder Boesner sehr ans Herz legen (ihr müsst allerdings dazu bereit sein, den ein oder anderen Mikrocredit aufzunehmen, aber was soll der Geiz!) Nein, Spaß, Linolschnittmesser gibt es schon sehr günstig mit verschiedenen Aufsätzen. Meine zwei sind von Pfeil und in Deutschland bei Boesner erhältlich. Sie sind etwas höherpreisiger, aber dafür qualitativ sehr hochwertig. Die Stempelrohlinge laufen teilweise auch unter anderen Namen, bei Boesner etwa unter dem Begriff "Vinyl-Printblock". Ich benutze das Stempelgummi von Facits und bin damit zufrieden...nur die Farbe ist irgendwie nicht so dekorativ, oder?
Dann geht's los!
Zuerst zeichnet ihr auf, was ihr später in einen Stempel verwandeln wollt. Entweder man entwirft selbst eine Zeichnung oder man greift auf ein bereits existierendes Motiv zurück, das einen gerade anlacht. Ich probiere mich momentan an einer Reihe floraler Motive, die sich am Ende hübsch miteinander kombinieren lassen. Diesmal soll es eine Kornblume werden. Wenn die Zeichnung fertig ist, übertragt ihr sie mit einem weichen Bleistift auf das Transparentpapier. Gut geeignet sind hier 2B-5B, aber es tut zur Not auch ein einfacher, handelsüblicher HB-Bleistift.
Als nächstes wendet ihr das Transparentpapier und reibt mit einem stumpfen Gegenstand - ich habe dazu einfach den Griff meines Linolschnitt-Messers benutzt - die Zeichnung auf den unterliegenden Stempelblock. Ihr werdet sehen, dass der Graphit des Bleistiftes gut an dem Gummi haften bleibt und dadurch eine Spiegelung eurer Zeichnung entsteht. Indem ihr den Stempel später wieder auf Papier bringt, bekommt ihr so letzten Endes wieder einen ungespiegelten Stempelabdruck. Besonders wichtig ist das beispielsweise bei allen Stempeln, die Schrift enthalten.
Nun zieht ihr mit einem Bleistift die Linien auf dem Stempelblock nach
(ganz 1:1 lassen sie sich dann nämlich doch nicht übertragen) und
schneidet mit dem Cutter-Messer das gewählte Motiv großzügig aus -
Vorsicht: Nicht zu nah an der Zeichnung entlangschneiden!
Jetzt kommt, wie ich finde, der spaßigste und "handwerklichste" Teil des
Schaffensprozesses. Schneidet mit dem Linolschnitt-Messer jene Teil
weg, die später "weiß" bleiben sollen. Ab und zu ist da etwas
Tüftelarbeit gefragt und man sollte im Zweifelsfall gut überlegen, was stehen bleibt und was weggeschnitzt wird. Die
eine Lektion lernt man beim Selbst-stempeln nämlich sehr schnell: Was
weg ist, ist weg. Deswegen lieber erst einmal stehen lassen und zur Not
später nacharbeiten. Ich gehe immer so vor, dass ich zunächst einmal
entlang des Umrisses fahre, anschließend die äußeren Bereiche großzügig
wegschnitze und zuletzt das "Innere" des Motivs bearbeite.
Nun steigt natürlich die Spannung auf das Endergebnis und wenn man den Stempelrohling von allen kleinen Schnitzabfällen gereinigt hat, folgt die Probe aufs Exempel: der erste Probedruck! Die Aufregung und Neugierde, die jeder erste Druck mit sich bringt, ist klasse und erinnert mich immer an die frühe Analog-Foto-Zeit, als man ein paar Wochen nach der Fotoentwicklung das erste Mal sehen konnte, ob die geschossenen Motive "was geworden sind". Beim Stempeln folgt auf den ersten Druck meist eine Phase der Nachbesserung. Ganz sauber habe ich es direkt beim ersten Mal jedenfalls noch nie hinbekommen. Immer steht irgendwo noch ein Millimeter über, der sich heimlich als Stempelabdruck mit aufs Bild geschummelt hat. Deswegen zunächst besser auf Schmierpapier ausprobieren.
Wenn der Stempel schließlich fertig ist, kann er als Einzelattraktion oder aber in einem Arrangement, wie bei meinem Frühlingsgruß hier, immer wieder aufs Neue gedruckt und verschenkt oder behalten werden. Ich habe der Kornblume noch ein bisschen Grünzeug und eine Wildrose zur Seite gestellt.
Zuletzt den Stempel einfach unter lauwarmen Wasser mit PH-neutraler Seife abwaschen... und ähm, ja, am besten den Abfluss verschließen. Es soll schon vorgekommen sein, dass Leuten in mühevoller Kleinstarbeit geschnitzte Mini-Farne den Abluss hinuntergespült wurden. Ist dann blöd.
Wenn ihr die Stempel verschenken wollt oder generell lieber einen "Griff" für zukünftige Stempeleien braucht, könnt ihr den fertigen Stempel einfach mit Hilfe doppelseitig klebender Zellgummimatten (hört sich kompliziert an, gibt's aber einfach zu kaufen: klick) auf hölzerne Stempelgriffe kleben, die gibt es ebenfalls in verschiedenen Größen ganz einfach zu kaufen.
Wer sich übrigens eine etwas ausführlichere Erklärung mit allerlei Anschauungsbeispielen, Vorlagen und Ideen wünscht, dem lege ich dieses Buch ans Herz: klick. Das ist zu diesem Thema meiner Meinung nach das Beste.
Also dann: Sagt euren Kindern, Jobs und Haustieren Lebewohl und begebt euch in die wunderbare Welt des Stempelns! Für jetzt....
...und für immer! Muhahahaa...